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Juni 2021

Betreiber will nun auch keine größeren Kinderwagen mehr zulassen- SoVD hofft auf Unterstützung auch aus der PolitikDer Landrat ist empört: „Erixx will das Thema aussitzen bis er aus dem Vertrag in der Heide raus ist“

Heidekreis. Manfred Ostermann ist sichtlich sauer. Der Heidekreis-Landrat hat nun schon gemeinsam mit dem SoVD-Kreisvorstand Stunden zugebracht, um mit dem Zugbetreiber Erixx eine einvernehmliche Lösung zu finden, damit endlich auch stark behinderte Menschen mit E-Scooter wieder von der Bahn mitgenommen werden. Aber trotz hoffnungsvoller Ankündigungen der Bahn, trotz eines Versprechens, sich bis zum letzten Wochenende wieder zu melden, hört man aus der Geschäftsleitung des Unternehmens nichts Offizielles mehr, einzig die Information, die Rollifahrerin Heidrun Domres aus Lindwedel erhielt: Erixx will größeren Kinderwagen auch nicht mehr das Mitfahren in den Zügen gestattet. Das Problem, das bisher nur Behinderte betraf, weitet sich damit zu einem Thema für alle Bevölkerungsschichten aus. SoVD-Kreisvorsitzender Jürgen Hestermann schüttelt darüber nur noch den Kopf: „Erixx hat eine Beförderungspflicht für alle Menschen. So kann es auf keinen Fall weitergehen. Und wir haben keine Lust mehr, dahingehalten zu werden.“ Die Politik ist nun gefordert, „einzusteigen“ in den Zug. Denn dass Menschen in der Bahn nicht befördert werden, dass sie immer wieder von Zugbegleitern unfreundlich behandelt werden (Heidrun Domres: „Meine Beine sind zwar beidseitig gelähmt, aber ich kann noch klar denken. Und werde im Zug zusammengefaltet.“).

Domres muss einmal monatlich zum Arzt nach Hannover fahren. „Ich bin einmal aus meinem Rollstuhl gefallen. Ein Bein muss nun ständig hochgelegt sein, sonst wird es irgendwann amputiert werden müssen.“ Und darum musste der Rolli verlängert werden. Interessiert aber offenbar niemanden bei der Bahn. „Ab sofort dürfen Sie nicht mehr mitfahren,“ sagt eine Zugbegleiterin süffisant lächelnd zur Lindwedelerin, als habe sie gerade ein Spiel gewonnen. Heidrun Domres ist verzweifelt, weiß nicht mehr, was sie machen soll. „Einmal nach Hannover im Monat, vielleicht zwei-bis dreimal nach Schwarmstedt, was soll ich nun machen?

Auch für die E-Scooter -Fahrer aus Hodenhagen und Soltau gibt es keine Erixx-Fahrten mehr, auch wenn diese Fahrzeuge von den Krankenkassen vorgeschrieben sind. „Wir müssen auf die Sicherheit aller Fahrgäste achten,“ heißt es immer wieder als Begründung der Bahn. Nur muss die Frage gestellt werden, wenn in Hannover Erixx mit überfüllten Wagen startet, weil kurz vorher ein Zug ausgefallen ist. Wo bleiben hier die Sicherheitsbedenken?

In langen Gesprächen wurden Verbesserungen auch für Behinderte versprochen. Wurde gesagt, dass man sich meldet. Stattdessen kam…NICHTS, bis heute.

Die Politik regt sich – „Das ist ungeheuerlich“

SPD-Bundestagsabgeordneter Lars Klingbeil ist tief verärgert über das Verhalten von Erixx. Schon in der Vergangenheit habe er sich an das Unternehmen gewandt, als es ähnliche Fälle gab. Bei einem kürzlichen Gespräch des Landrates, der Betroffenen und des SoVD mit der Bahn wurden sogar Verbesserungen angekündigt. Dass nun erneut Menschen mit Behinderung am Bahnsteig zurückgewiesen worden sind, ist ungeheuerlich. „Wenn sie tatsächlich nicht befördert wurden, weil der Zugbegleiterin die Verlegung der Rampe zum Einstieg zu schwer war, empfinde ich diese Haltung als diskriminierend.“ Klingbeil hat sich deshalb erneut an das Unternehmen gewandt und um Aufklärung gebeten, welche konkreten Verbesserungen vorgenommen wurden, um Menschen mit Behinderung in üblichen Rollstühlen zu befördern. „Ich bin auch dem Sozialverband dankbar, dass er an der Sache dran ist. Klar muss sein, dass Menschen mit Behinderung in üblichen Rollstühlen auch durch den Erixx befördert werden müssen. Rollifahrerinnen und -fahrer gehören nicht auf das Abstellgleis!“

Gudrun Pieper von der CDU-Landtagsfraktion, die in den nächsten Tagen zu einem Gespräch mit dem SoVD-Kreisverband nach Fallingbostel kommen wird, sagt, dass sie als behindertenpolitische Sprecherin im Landtag entsetzt über die beschriebene Vorgehensweise seitens der Erixx GmbH sei und erinnert daran, dass es eine Beförderungspflicht nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBfeG) gibt. „In unserem Grundgesetz Art. 3 steht geschrieben: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Das, was hier praktiziert wurde, verstoße nicht nur gegen das Grundgesetz,sondern auch gegen die Behindertenrechtskonvention. „Ich habe mich schriftlich an die zuständige Landesbeauftragte Petra Wontorra gewandt, damit solche Fälle nicht noch einmal passieren.“

Landrat Manfred Ostermann am Freitag: „Auch ich bin erneut mit dem Erixx-Geschäftsführer in Kontakt getreten, habe aber noch keine Antwort erhalten“.

Anfang Juli soll es mit der Nahverkehrsgesellschaft und dem SoVD des Landes zu weiteren Gesprächen kommen. SoVD-Kreisvorsitzender Hestermann: „Wir hoffen auf Ausnahmeregelungen für unsere behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger und darauf, dass sich die Bahn endlich einmal ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen wird. Dabei denke ich auch an die jungen Mütter, die nun auch nicht mehr mit ihren größeren Kinderwagen den Zug benutzen dürfen.“

Klaus Müller

Stellungnahme Erixx mit Merkblatt, die uns heute erreichte

Liebe Fahrgäste,
sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des SoVD,

in den vergangenen Wochen haben wir uns alle gemeinsam sehr intensiv damit beschäftigt, welche Sonderrollstühle und E-Mobile auf den Strecken des erixx im Heidekreuz in den Zügen mitfahren können.


Zum Hintergrund:

Zwei Fahrgäste des erixx hatten sich an den SoVD gewandt, weil eine Mitfahrt im erixx mit ihren großen Sonderrollstühlen nicht möglich war. Daraufhin haben wir uns mit Ihnen mehrfach vor Ort am Bahnsteig getroffen, haben vermessen, technische Details geklärt, mit dem Hersteller unserer Züge gesprochen und Lösungen gesucht.

Wir müssen leider zugeben, dass wir als erixx einen Fehler gemacht haben: bisher gab es kein einheitliches Verfahren, welche Rollstühle mitgenommen werden können und welche nicht. So kam es bei den Fahrgästen zu Unsicherheit und unterschiedlichen Aussagen unserer Mitarbeiter. Dafür bitten wir um Entschuldigung, Rollstühle und E-Mobile dieser Größe sind auch für uns relativ neu.


Eindeutige Regelung:

Dank Ihrer Hinweise konnten wir nun aber eindeutig klären, welche E-Mobile wir sicher mitnehmen können und welche nicht.

Die Züge des erixx im Heidekreuz sind vor etwa 10 Jahren gebaut worden, ihre Konstruktion ist ca. 15 Jahre alt. Zu dieser Zeit galten Rollstühle mit einer Größe von 120 cm x 70 cm  (ISO 7193) als Standard. In den Zügen des erixx wurde Platz für je zwei Rollstühle dieser Art vorgesehen. Die amtliche Zulassung der Züge zur Mitnahme beschränkt sich derzeit auf diese Art von Rollstühlen.

Die neuartigen Sonderrollstühle und E-Mobile sind deutlich größer und schwerer. Eine Mitnahme im erixx ist leider nicht zulässig.

Warum nicht?

  • Größere Rollstühle können nicht ohne Hilfe (eigenständig) hinein- und herausfahren
  • Größere Rollstühle passen nicht auf die vorgesehenen Stellplätze
  • Größere Rollstühle sind zu schwer
  • Bei einer Notbremsung gefährden größere E-Mobile andere Fahrgäste und den Rollstuhlfahrer selbst
  • Große E-Mobile versperren die Fluchtwege
  • Große E-Mobile behindern andere Fahrgäste beim Ein- und Ausstieg

Solange nichts passiert und nur wenige andere Fahrgäste in den Zügen sind, mag das alles irrelevant sein. Eine Fahrt mit dem erixx soll aber zu jeder Zeit, in jeder Situation und für alle Fahrgäste sicher sein. Deshalb gibt es umfangreiche Sicherheitsvorschriften und -maßnahmen.

Klarheit

Um allen Fahrgästen Klarheit zu geben, haben wir beigefügtes Merkblatt erstellt. Die darauf abgebildeten Rollstühle nehmen wir unverändert sehr gerne im erixx mit.

Wir bedauern es selbst wirklich sehr – aber alle anderen Sonderrollstühle können wir aufgrund der Konstruktion unserer Züge und der für den Eisenbahnverkehr geltenden Regeln nicht mitnehmen. Unsere Fahrgäste, das Eisenbahnbundesamt und auch unsere Aufgabenträger erwarten von uns zu Recht, dass wir uns an die gültigen Sicherheitsregeln halten. Dies werden wir tun.

Deshalb gilt das beigefügte Merkblatt grundsätzlich für alle Fahrten des erixx im Heidekreuz.

Bitte helfen Sie mit

Unsere Fahrgäste mit Sonderrollstühlen und größeren E-Mobilen bitten wir um Verständnis und Mithilfe. Wir wissen, dass Sie neben Ihrem E-Mobil in der Regel noch einen „medizinischen“ Rollstuhl zur Verfügung haben, welchen wir gut mitnehmen können. Bitte nutzen Sie diesen, wenn Sie mit dem erixx fahren möchten – auch wenn es für den Moment ungewohnt ist auf einem kleineren Rollstuhl.

Unsere Empfehlung: bitte melden Sie sich vor Ihrer fahrt an, dann können wir Ihnen am Bahnsteig persönlich beim Ein- und Ausstieg helfen.

Telefonisch: 05191-96944-250 oder online Barrierefrei reisen (erixx.de)

(Für die Information in dieser Stellungnahme übernehmen wir keine Verantwortung.

Die Redaktion)

Der SOVD HEIDEKREIS und Landrat Manfred Ostermann sind am Montagnachmittag zu einem sehr konstruktiven Gedankenaustausch mit einem Mitarbeiter des Bahnunternehmens Erixx zusammengekommen. Es wurden Möglichkeiten der Verbesserung der Situation für Rolli-Fahrer mit dem Zug erörtert. Erixx sagte zu, die Vorschläge zu prüfen und wird sich in Kürze wieder mit dem SoVD besprechen.

Bildnachweis: Klaus Müller

Rollifahrer kommt nicht mit dem Zug zum Arzt

Heidekreis – Nach seiner Erfahrung am Freitag (wir berichteten), als er am Walsroder Bahnhof nicht vom Erixx mitgenommen wurde, hatte Rolli-Fahrer Burkhard Albert aus Hodenhagen bereits Bedenken gehabt, ob er am Montag mit seinem E-Scooter in den Zug gelassen würde. Zu Recht, wie sich gestern herausstellte. Eigentlich hätte er einen Arzttermin in Walsrode gehabt. „Ich habe bei Erixx angerufen. Aber man hat es erneut abgelehnt, mich mitzunehmen.“ Das Unternehmen habe auf das Seilbahnunglück in Italien verwiesen und gesagt, dass der Rolli nicht in dem Abteil stehen dürfe, in dem auch Räder mitgenommen werden. Dieses Vorgehen war noch vor Kurzem in Soltau von den Erixx-Vertretern befürwortet worden. Und darum musste Albert am Montag zu Hause bleiben. „Wie es mit mir weitergehen soll, weiß ich noch nicht.“

Nach einer ersten Stellungnahme und einem Schreiben an den Geschäftsführer von Erixx erinnerte Landrat Manfred Ostermann an die Zusage des Unternehmens bei dem Soltauer Ortstermin, bei dem er ebenfalls anwesend war. Erixx habe eine einvernehmliche Lösung zugesagt. Ostermann nannte den Vorfall am Freitag unzumutbar. Es sei „menschenunwürdig, wie hier mit gehandicapten Menschen umgegangen wird“.

Er bat den Geschäftsführer von Erixx, sich persönlich des Problems anzunehmen, mit den Betroffenen in einen fairen Dialog zu treten und eine Lösung anzubieten. ?mü

„Ich habe Dir schon einmal gesagt, dass wir Dich nicht mitnehmen“Drei Zugbegleiter verwehren Burkhardt Albert die Rückfahrt nach Hodenhagen

Drei Zugbegleiter verwehren Burkhardt Albert die Rückfahrt nach Hodenhagen

„Ich habe Dir schon einmal gesagt, dass wir Dich nicht mitnehmen“

Hodenhagen/Walsrode. Mit dem „Glauben und Vertrauen“ ist das so eine Sache- und vor allem wenn es um Erixx geht: Fast unmittelbar nach der festen Zusage des Unternehmens, Rolli-Fahrer nun doch mitzunehmen- auch gegenüber dem Landrat- kam am Wochenende die Information an den SOVD-Kreisverband, dass der Hodenhagener Burkhardt Albert, einer der Leidtragenden, erneut stehengelassen wurde. „Ich habe Dir doch gesagt, wir nehmen Dich nicht mit,“ soll einer der drei Zugbegleiter am Freitag um 13.19 Uhr auf dem Walsroder Bahnhof gesagt haben, als der Hodenhagener mit seinem „Scooter“ zurückfahren wollte. Alle drei Zugbegleiter lehnten es ab, ihn mitzunehmen. Albert musste die 15 Kilometer lange Strecke auf dem Radweg und später auf der Straße nach Ahlden hin mit seinem Rolli zurückfahren. „Ich habe es gerade noch geschafft- der Strom reichte gerade eben noch.“

Und dabei hatte es, wie berichtet, kürzlich einen „Lokaltermin“ in Soltau, auf dem Bahnhof gegeben, wo gleich vier betroffene Rollifahrer testen „durften“, ob solch ein größerer Rolli mitgenommen werden kann. Ein Mitarbeiter von Erixx war live dabei- der Landrat aber auch, der Erixx aufforderte, die Menschen nicht einfach an den Bahngleisen stehenzulassen. Und Manfred Ostermann tat ein Übriges: Er schrieb das zuständige Ministerium und den Betreiber der Bahn an. „Die VON aus Stade, verantwortlich für den öffentlichen Nahverkehr, hat sich bei mir gemeldet. Ihr wurde versichert, es gebe keine Probleme.“

Aber dann waren sie praktisch über Nacht und viel schneller als gedacht wieder da. Albert war am Freitag zur TAFEL nach Walsrode gefahren und hatte auf der Hinfahrt kein Problem gehabt. „Ich hatte versucht, Erixx zu informieren, aber da war laufend besetzt.“ Dann habe er den ihm bekannten Kontaktmann aus Soltau angerufen, der auch beim „Lokaltermin“ dabei war. „Ich kümmere mich darum.“ Aber das war es dann auch.

Am heutigen Montag muss Burghardt Albert zum Arzt nach Walsrode. „Soll ich überhaupt fahren,“ fragt er am Sonntag. „Wenn ich wieder nicht mitgenommen werde…“

Eine Tragödie, unmöglich und immer noch nicht gelöst. Annette Krämer vom Sozialverband Heidekreis: „Das ist einfach menschenunwürdig. Wir bleiben auf jeden Fall am Ball.“

Klaus Müller

(Bildnachweis: mü)